ISBN: 978-3-8260-4820-3, 112 Seiten, Erscheinungsjahr: 2012
Der eine Roman hat einen hohen Bekanntheitsgrad, der andere weniger. Auch sonst unterscheiden sich der Nachsommer und der Zauberberg voneinander. So sehr, dass sie kaum für einen Vergleich sich eignen. Scheinbar. Denn was beide entfalten, kann man Bildungswelten nennen. Schließlich tummeln sich in beiden Romanen Pädagogen mit ihren Lebensgeschichten, stürzen sich Zöglinge in ihre Liebesgeschichten, entdecken Pädagogen ihre Streitlust, stillen Zöglinge ihren Erlebnishunger in bedenklicher Herausforderung der winterlichen Natur. Was immer auch an Episoden vorkommen mag – sie laufen so auseinander, dass sich am Ende ein spiegelverkehrtes Panoptikum der beiden Bildungswelten ergibt. Deshalb wohl führt die eine Liebesgeschichte in eine feste Beziehung und die andere in eine Traumwelt. Was durchaus bildsam sein kann: im Hinblick auf die Lebenserfahrung der Figuren und der eigenen.
ISBN: 978-3-8260-5785-4, 190 Seiten, Erscheinungsjahr: 2016
Inhalte des Buches sind: Essays, Interpretationen, Gemälde, Partituren, aufgefundene, erfundene und umgeschriebene Geschichten und Gedichte zu: anfangen – buchstabieren – collagieren – denken – enthüllen – fürchten – geistern – handeln – inszenieren – jagen – kondolieren – lieben – malen – nerven – ordnen – präsentieren – quälen –resignieren – suchen – tradieren – umschreiben – verknüpfen – wandern – x… – y… – zaubern.
ISBN: 978-3-8260-5987-2, 106 Seiten, Erscheinungsjahr: 2016
Gängigem Topos zufolge, ist er die Kunst-Figur des 19. Jahrhunderts: der Wanderer. Abhold dem Maschinenzeitalter und zugetan dem Naturgedanken, nistet er, der Wanderer, samt Stock und Hut in Geschichten sich ein, die ihm das zugestehen, was er um seiner selbst Willen bedarf: Landschaften, Weite, Räume. Von jenen gilt, dass er sie zu durchschreiten habe, wozu freilich auch das Stolpern, Stürzen und Sich-im-Kreise-Drehen zählen mag. Dort, wo so etwas inszeniert wird, in den Geschichten der Romantik allemal, wird das Wandern zugleich zum Symbol: Durchschritten werden nicht nur die Räume des Äußeren, sondern zugleich auch jene des eigenen Inneren. Das Stolpern wird zum Tasten und Stochern im Terrain des Vergangenen und Vergessenen. Wer solche Geschichten geschrieben, ist – Schubert. Seine Partituren, etwa seine kammermusikalischen, evozieren Bilder, in denen das Durchschreiten von Räumen zum Erkunden der Vergangenheit gerät, die Landschaft zur Seelenlandschaft gerinnt, die Wanderung zur Lebenswanderung sich wandelt. Dieser narrative Gestus ist vergleichbar jenem, der sich in der Literatur der damaligen Zeit fi ndet: bei Keller so gut wie bei Stifter, bei Grillparzer so gut wie bei Büchner. Dass das musikalische Graben in den Räumen der Erinnerung auf dem Granitboden des Verdrängten und Unbewussten stößt, nimmt nicht Wunder. So komplex ist Schuberts Kompositionstechnik, dass sie an manchen Stellen die Techniken von Freuds Traumtheorie vorwegnimmt. Schubert erweist sich als unbewusster Cicerone durch das Terrain des Unbewussten.
ISBN: 978-3-8260-6631-3, 134 Seiten, Erscheinungsjahr: 2019
Dass menschlich’ Leben einem Bühnenspiel vergleichbar, in dem die Spieler ihre Rollen spielen, ist nicht nur Shakespeares Jacques geläufig. Doch macht sie jener offenkundig – die Bühnenakte, die das Leben währt. Von Kindheit, Schule, über Eros, Ruhmeslust und Aufstiegswillen, hinauf denn bis zur höchsten Lebensstufe, hinab dann bis zum Alter hin. An diesem Lebensspielplan lässt sich gar Menschliches ermitteln – durch solches Nachdenken, das Nietzsche auch nannte: ein psychologisches Beobachten. So mag ein Denkspiel sich ergeben, dem Folgendes zum Augenmerk gerät:
Vorspiel auf dem Theater – Ankunft – Namen – Spiel – Eltern – Geschwister – Schule – Schulwege – Erzieher – Prüfungen – Eros – Erfolge – Erhöhung – Niederlagen – Zerbrechlichkeiten – Richtstuhl – Masken – Letztes Aufbegehren – Muße – Lebensmächte – Lebensbilanzen – Zuletzt.
ISBN: 978-3-8260-6988-8, 130 Seiten, Erscheinungsjahr: 2020
Innenräume sind Gehäuse des Für-sich-Seins. Sie werden gestaltet und prägen Gestalt: die des Wohnens schlechthin. Sind mithin unverzichtbar. Erfahren sogar ihre ästhetische Verdopplung: in Form der Interieurmalerei. Jene ist Genre sui generis, historisch fest verfugt vom 17. Jahrhundert bis zum 20. Jahrhundert. Versehen mit Referenz-Malern wie den Niederländern Hoogstraten und Elinga, dem Berliner Menzel, dem Dänen Hammershøi. Wege der Annäherungen an diese gibt es verschiedene: ikonographische, didaktische oder – wie nachfolgend versucht – dramaturgische. In jener Variante erfahren die Interieurbilder ihre Metamorphose hin zum szenisch Theatralischem: Sie werden zur Vorlage für Kammerspiele. Nicht etwa in der Absicht, irgendwelche Verfremdungseffekte um ihrer selbst willen zu initiieren, sondern vielmehr in jener, das offenzulegen, was dem gemalten Interieur als Möglichkeit innewohnt: etwas über das Leben in seinen Räumen zu erzählen. Wer erzählt, sind die Betrachter der Bilder – frei erfundene, historisch verbürgte, imaginäre Figuren – oder es erzählt das Bild etwas von sich selbst. In jedem Fall ergibt sich daraus ein Monolog oder Dialog, der die Bilder wortwörtlich zum »Sprechen« bringt.
ISBN: 978-3-8260-7161-4, Erscheinungsjahr: 2020
Dass Welt voller Stimmen und Klänge ist, gehört zu ihrem Reichtum; dass sie der Musik eine eigene Welt zugesteht, zu ihrer Noblesse. Welthaftes Dasein ist ein tönend-klingendes. Das sich in verschiedenster Weise offenbart. Im archaischem Klang der Erde, im Läuten von Glocken und Schlagen von Uhren, in der Vielfalt von Stimmen, im Geräusch und in der Stille, in symphonischer Musik und Klavierwerken, in Filmmelodien und Jazz, in kleinen Szenen über Musiker, Orchester und Taktstöcke. Ein solches inhaltliches Kaleidoskop verlangt nach eben solcher Form. Nach einer, die auf Vielfalt setzt. Auf Geschichten und Anekdoten, auf Aphorismen und Sentenzen, auf Beschreibung von Musik und Aperçus mit Augenzwinkern. So ergibt sich eine Partitur über die (un)geschriebenen Partituren der Töne und Klänge der Welt, in denen sich vor allem eines widerspiegelt: das menschliche Leben schlechthin.
ISBN: 978-3-8260-7299-4, 162 Seiten, Erscheinungsjahr: 2021
Dass Leben zu gestalten sei, ist viel gehörte Sonntagspredigt. Dass es auch Widerfahrnis sei, schon weniger. Weil es als solches etwas ist, das Geschick und Schicksal gar. Mithin ein Etwas, das vorgegeben. Das sich in alter Tradition kundtut als Lebensmacht. Durchaus in verschiedener Gestalt: als Daimon, Zufall, Zwang und Hoffnung, als Eros ganz und gar. Sie bedürfen ihrer Inszenierung, die Lebensmachtgestalten. Verlangen nach Figuren, die menschlich sind und doch zugleich geheimnisvoll. Verlangen nach Geschichten, in denen manch Unerklärliches geschieht. Sei’s, dass einem Zeitungsleser ein antiker Gott ein Posse spielt, sei’s, dass ein Zirkusclown seine Rolle verfehlt, sei’s, dass ein seltsamer Mann eine Schachpartie beeinflusst und dergleichen. Egal, was auch geschieht: Das, was geschieht, ist oftmals so, dass es dem üblich’ Gang der Dinge sehr gern ein Bein stellt. Leben mithin als das aufzeigt, was es eben auch ist: unverfügbar. Ein Lebensmächte-Geschichten-Spiel mit manchen Varianten: heiteren und ernsten, ironischen und melancholischen, skurrilen und verqueren. Doch immer so gestaltet, dass selbst das Unglaubliche ein Zeugnis sei, für die zerbrechliche Glaubwürdigkeit der Welt.
ISBN: 978-3-8260-7384-7, 124 Seiten, Erscheinungsjahr: 2021
Charakterbilder sind Spiegelflächen des Menschen; sie lassen sich beschreiben, vielleicht sogar erklären. Auch erfinden. Mittels Figuren, die den Menschen abgelauscht. Die ihn zeichnen. Überzeichnen gar. In Bildern. Ihn ausstellen in einer Sammlung von 24 literarischen Bildern. Was im ersten Teil des Buches geschieht. Der zweite Teil erfindet ebenfalls Figuren. Doch nunmehr solche, die gleichsam der Musik entsprungen. Den Präludien, Opus 28, von Chopin. 24 Klavierstücke, die Bilder evozieren. Etwa von Zornigen und Kapriziösen; von Träumenden und vom Über-Ich. Auf diese Weise füllt sich die Figurenbühne des Menschlichen. Mit Charakteren vieler Art. Doch auch, wenn sie manches Mal skurril erscheinen, so gilt von ihnen, dass es sie gibt. Weil sie so sind wie sie sind: charakteristisch eben.
ISBN: 978-3-8260-7454-7, 106 Seiten, Erscheinungsjahr: 2021
Schach ist Spiel. Weiß gegen Schwarz. Auf 64 Feldern. Man muss die Figuren ziehen. Zugzwang, schreibt die Regel vor. So lange, bis Schachmatt ertönt. Dann kann es neu beginnen. Leben ist Ernst. Der gegen den. Mitunter auch mit dem. Auf so manchen Feldern. Man muss handeln. Man kann nicht nicht. Zugzwang schreibt das Leben vor. So lange, bis … Neu kann es nicht beginnen. Spiel und Ernst. Nachgespürt in drei Teilen. In einem Traktat, in Charakter-Bildern, in Aphorismen und kleinen Geschichten. Über Schachspiel, Figuren, Schachpartien, über Lebensernst, Menschen, Lebensszenen. Gewissermaßen absichtslos. Dem l’art pour l’art verpflichtet. Doch eines setzt der Text sich doch zum Ziel: dem ernsten Schach die Leichtigkeit des Seins zurückzugeben.
ISBN: 978-3-8260-7508-7, 118 Seiten, Erscheinungsjahr: 2022
Ob es gut sei, dass da einer weiß, dass man nicht weiß, was sein Name noch wie seine Art, ist nicht ausgemacht. Wie auch? Gut mag es sein für ihn, für andre nicht. Da glimmt Herrschaftsattitüde auf. Bei so manchen. Etwa bei dämonischen Gestalten. Bei solchen, die dem Zugriff sich entziehen. Bei solchen, die Angst machen. Bei solchen, die Rätselwetten machen aufs Leben, aufs Kind. Bei solchen, die namenlos. Ihre Opfer? Wohl gar manche. Müllerstöchter auch. Die es lernen müssen, sich zu wehren. Damit das Mühlen-Räderwerk des Lebens nicht zum Erliegen kommt. Sie ist nachzubuchstabieren. Der schönen Müllerstochter finstere Textur. Schritt für Schritt, Satz für Satz. Im ersten Teil des Buchs. Im zweiten Teil wirds variiert, das unbekannte Wesen. Erscheint in neuen Bildern. Die Frage lautet: Wie würde ein bekannter Name das Namenlose porträtieren? Damit am Ende der Gedanke möglich, dass Rumpelstilz gar viele Namen trägt.
ISBN: 978-3-8260-7627-5, 351 Seiten, Erscheinungsjahr: 2023
Bekannt sind sie schon, die vier Figuren des Wahlverwandtschaften-Quartetts. Dank Goethes Roman. Spielen seit über 200 Jahren ihr gleiches Spiel. Jenes von Liebe und Trennung, jenes von Begehren und Entsagung.
Ein kompliziertes Geschehen obwaltet da. Kunstvoll erzählt. Wie kunstvoll, lässt sich dann erschließen, wenn man versucht, das Erzählte nach-zu-erzählen.
Wenn man versucht, zu verstehen, was der Erzähleraus welchem Grund so und nicht anders getan.
Wenn man versucht, den Text sprechen zu lassen und ihn - an vielen Beispielen - durch-zu-buchstabieren.
Wenn man versucht, manche Passagen zusammenzufassen. Etwa in aphoristischer oder sentenzhaftcr Manier.
Wenn man versucht, dem Text Miniaturen beizufügen aus anderen kunstvollen Welten. Etwa aus jener der Musik.
Dann könnte sich am Ende zeigen, was hier im Titel schon genannt: das Quartett der Wahlverwandten ist eigentlich gar keines.
ISBN: 978-3-8260-7626-8, 122 Seiten, Erscheinungsjahr: 2023
Dass Kleider Leute machen ist sattsam bekannt. Nicht nur wegen Gottfried Kellers Geschichte, sondern auch so. Aber wegen jener besonders. Deshalb erfreut sie sich eines großen Zuspruchs, weil sie das verständlich Bekannte nochmals bekannt und verständlich macht.
Das ist vielleicht zu viel des Guten und weniger gut für die Geschichte. Bloß glänzende Fassade ist sie keinesfalls, sondern vielschichtiges Sprachkunstwerk. Mir vielen Bildern versehen, die biblisch, märchenhaft und auch theaterträchtig anmuten. Versteckt oftmals im Handlungsgang des Geschehens, das umso sorgsamer nachzuerzählen ist.
Deckt man sie auf, die Bilder, entbirgt die Geschichte gleichsam eine zweite dazu. Eine ganz alte und eine fast neue. Eine Komödie und fast eine Tragödie. Eine wunderliche und eine fast unerbittliche. Eine himmlische und eine fast höllische. Eine mit Aufblühen und eine mit Erstarrung. Eine über das Fremd-Sein und übers Fremd-Bleiben. Eine, mit einem Fremden am Anfang und am Schluss.
Fremdsein ist die Nabe, um die das Rad sich hier dreht. »Komm, fremder Mensch.« Vielleicht ist das der Kernsatz einer Geschichte, für die Kleider, Mäntel und Pelzmützen nur Beiwerk. Denn ungeachtet dessen, welche Kleider auch geschneidert, die Figuren kommen aus ihrer Haut nicht heraus.
ISBN: 978-3-8260-7653-4, 87 Seiten, Erscheinungsjahr: 2023
Sie sind mir dem Mikroskop ausgeleuchtet - die Bach'schen Goldberg-Variationen. Sind dechiffriert, was nicht nur von Vorteil ist.
Lässt sich, so ist zu fragen, diese Musik noch unbefangen hören? Verbunden mit der Hoffnung gar, dass beim Hören Geschichten sich ergeben, die wie ein Bilderrahmen passen zur Musik?
In drei Schritten sei der Versuch gewagt. Die Schritte sind drei Konzerte. Ein Concerto in der
Philharmonie. Da öffnen sich Erinnerungsräume bei zwei Hörern.
Zum Schluss noch ein Gedankenspiel. Einem, das ein altehrwürdig Bild nicht scheut.
Das einer Kathedrale. Ist’s vorstellbar, dass das Goldberg-Werk einer Kathedrale des eigenen Inneren gleicht? Wenn ja, dann sind die Ähnlichkeiten aufzuzeigen. Am Schluss. In einer Coda.
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